Ich han jo nüt geg Uslän­der, aber…” 

So und ähn­lich begin­nen die meis­ten Kom­mentare, die von schein­bar besorgten Bürg­erin­nen und Bürg­er im Inter­net (z.B. in Blogs oder auf sozialen Medi­en) ver­fasst wer­den. Der Kom­fort, in der dig­i­tal­en Welt seinen Mit­men­schen nicht gegenüber­sitzen zu müssen, beflügelt die Autorin­nen und Autoren dabei zu Höch­stleis­tun­gen im Ver­fassen von kuriosen Kom­mentaren. Ihrem Unmut lassen sie, in einem Schwall von Polemik mit nicht nachvol­lziehbaren Argu­menten und teils haarsträuben­den, selb­st konzip­ierten Zusam­men­hän­gen, freien Lauf. 

Das Beispiel ein­er jun­gen Ostschweiz­er Dame, die ihren Face­book-Kol­le­gen ver­sucht zu erk­lären, wieso sie eigentlich gar nicht so ras­sis­tisch sei, wie ihr nachge­sagt werde, soll demon­stri­eren, dass der Begriff “Frem­den­hass” ernst genom­men wer­den muss.

Liebi lüüt..uf grund vo aktuelle kom­men­tär und post­ings vo minere site us bezüglich “asy­lante” wo vilicht am ein oder andere in falsche hals cho sind möchti eu mini iis­tel­lig zu dem the­ma gern erkläre: […]”

So begin­nt der Face­book-Post der etwa 25-jähri­gen Ostschweiz­erin *Alexan­dra B. Was die nach­fol­gen­den Zeilen offen­baren, ist besorgnis­er­re­gend und untyp­isch für einen jun­gen Men­schen in den Mittzwanzigern.

[…] ich han abso­lut nix gege flüchtling oder asy­lante solangs ahständig und dankbar sind.! […]”

Der latente Frem­den­hass wird dem Leser bere­its nach dem ersten Satz ihres Erk­lärungsver­such­es klar. Bewusst oder unbe­wusst degradiert die junge Poly­grafin Flüchtlinge und Asy­lanten zu Men­schen zweit­er Klasse. Ihre Erk­lärungsver­suche, zwis­chen “guten” und “bösen” Asy­lanten dif­feren­zieren zu wollen, wirken hil­f­los und unreif. Der Text stellt den Leser im All­ge­meinen auf eine Geduld­sprobe. Immer wieder muss man abset­zen und den Satz neu lesen.

Alexan­dra B. passt nicht ins Schema F. Sie gehört zu ein­er Gruppe neokon­ser­v­a­tiv­en jun­gen Erwach­se­nen, denen es nicht bewusst ist, dass sie beim Her­anwach­sen faschis­tis­che Züge entwick­elt haben.

Die Sta­tis­tik geht heute davon aus, dass junge Erwach­sene, die sich zu Ras­sis­ten entwick­eln, häu­fig aus Fam­i­lien der unteren Mit­telschicht stam­men. Tiefes Bil­dungsniveau, ein Einkom­men an der Armutsgren­ze und schlechte soziale Ver­hält­nisse sollen per­fek­te Nährbö­den für extrem­istis­che Pro­pa­gan­da sein. Der Fall von Alexan­dra B. verdeut­licht aber, dass durch die aktuellen Geschehnisse, die in den Medi­en zusät­zlich hochgeschaukelt wer­den, nicht nur Stereo­typen pro­gram­miert wer­den. Es sind auch junge Erwach­sene aus guten Ver­hält­nis­sen, mit ein­er soli­den Schul­bil­dung, die plöt­zlich sehr empfänglich für Pro­pa­gan­da werden.

[…] i weiss d asy­lante ansich chönd do eigentlich gar nix defür son­dern es isch üsers sys­tem wo eifach him­meltrurig isch und wahnsin­nig unfair. […]”

Men­schen wie Alexan­dra B. wer­den nicht zu kahlköp­fi­gen Nazis, die in Springer­stiefel und Bomber­jack­en um die Häuser ziehen. Die Gefahr entste­ht vielmehr im steti­gen Abbau fun­da­men­taler Werte und dem par­al­le­len Auf­bau eigen­er Ide­olo­gien. Gut und böse entwick­elt sich zu ein­er reinen Frage der Per­spek­tive, welche Alexan­dra B. übri­gens sprun­gar­tig zu wech­seln bere­it ist. Auf die despek­tier­liche Beze­ich­nung “hag­wahr”, mit der sie erst die “bösen” Flüchtlinge ins Kreuzfeuer nimmt, fol­gt Kri­tik am Schweiz­er Sozial­sys­tem, das let­ztlich die Ver­ant­wor­tung für die “bösen” Asy­lanten übernehmen soll. Der zu Beginn von ihr so drin­gend geforderte Anstand gilt dabei für sie nicht.

[…]Aber weni gseh wie en krim­inelle asyl­be­wer­ber mit neue nike air­max und em neuste iphone umelauft,[…]”

Polemik gehört seit je her zu den mit­teln pop­ulis­tis­ch­er Parteien, egal in welchem Land. Es ist nicht neu, dass sich Grup­pierun­gen mit frag­würdi­gen Ein­stel­lun­gen, die Medi­en zum Instru­ment machen. Neu ist, dass jed­er mitre­den kann und lei­der auch jed­er gehört wird. Diese Nieder­schwelligkeit in der Öffentlichkeit wahrgenom­men zu wer­den, eröffnet vor allem Mei­n­ungs­mach­er die Möglichkeit Sym­pa­thisan­ten mit genau der Pro­pa­gan­da zu füt­tern, die sie in ihrem Denken bestärkt. In Kom­men­tarspal­ten lese ich täglich Zitate, die ich so im echt­en Leben noch nie jeman­den sagen hörte.

[…] Es isch unfair und eifach dene­bet das en krim­inelle bess­er lebt und vom staat untet­stützt wird wie en schwi­iz­er bürger […]”

Alexan­dra B. sieht sich sel­ber als Hüterin der Gerechtigkeit. Sie beobachtet, selek­tiert, grup­piert, schubla­disiert und verurteilt. Und das ganz aus dem Bauch hin­aus —  Ja klar, den sie ist ein “guter” Mensch.

Mir langets jet­zt au!”

Hier der ganze Post von Alexan­dra B. zum Nachlesen

*Name geän­dert und der Redak­tion bekannt.

Zur Info: Alexan­dra B. hat ihr Face­bookpro­fil offen. Den abge­han­del­ten Ein­trag hat sie zudem als öffentlich markiert.