“Ich han jo nüt geg Usländer, aber…”
So und ähnlich beginnen die meisten Kommentare, die von scheinbar besorgten Bürgerinnen und Bürger im Internet (z.B. in Blogs oder auf sozialen Medien) verfasst werden. Der Komfort, in der digitalen Welt seinen Mitmenschen nicht gegenübersitzen zu müssen, beflügelt die Autorinnen und Autoren dabei zu Höchstleistungen im Verfassen von kuriosen Kommentaren. Ihrem Unmut lassen sie, in einem Schwall von Polemik mit nicht nachvollziehbaren Argumenten und teils haarsträubenden, selbst konzipierten Zusammenhängen, freien Lauf.
Das Beispiel einer jungen Ostschweizer Dame, die ihren Facebook-Kollegen versucht zu erklären, wieso sie eigentlich gar nicht so rassistisch sei, wie ihr nachgesagt werde, soll demonstrieren, dass der Begriff “Fremdenhass” ernst genommen werden muss.
“Liebi lüüt..uf grund vo aktuelle kommentär und postings vo minere site us bezüglich “asylante” wo vilicht am ein oder andere in falsche hals cho sind möchti eu mini iistellig zu dem thema gern erkläre: […]”
So beginnt der Facebook-Post der etwa 25-jährigen Ostschweizerin *Alexandra B. Was die nachfolgenden Zeilen offenbaren, ist besorgniserregend und untypisch für einen jungen Menschen in den Mittzwanzigern.
Auch in #Betzdorf wieder mal nur #Fremdenhass! #AfD wählen! Hass durch Fremde auf uns Deutsche stoppen! #MerkelTote pic.twitter.com/oAEo0gFfi8
— mollemopp (@mollemopp) 8. Februar 2017
“[…] ich han absolut nix gege flüchtling oder asylante solangs ahständig und dankbar sind.! […]”
Der latente Fremdenhass wird dem Leser bereits nach dem ersten Satz ihres Erklärungsversuches klar. Bewusst oder unbewusst degradiert die junge Polygrafin Flüchtlinge und Asylanten zu Menschen zweiter Klasse. Ihre Erklärungsversuche, zwischen “guten” und “bösen” Asylanten differenzieren zu wollen, wirken hilflos und unreif. Der Text stellt den Leser im Allgemeinen auf eine Geduldsprobe. Immer wieder muss man absetzen und den Satz neu lesen.
Alexandra B. passt nicht ins Schema F. Sie gehört zu einer Gruppe neokonservativen jungen Erwachsenen, denen es nicht bewusst ist, dass sie beim Heranwachsen faschistische Züge entwickelt haben.
Die Statistik geht heute davon aus, dass junge Erwachsene, die sich zu Rassisten entwickeln, häufig aus Familien der unteren Mittelschicht stammen. Tiefes Bildungsniveau, ein Einkommen an der Armutsgrenze und schlechte soziale Verhältnisse sollen perfekte Nährböden für extremistische Propaganda sein. Der Fall von Alexandra B. verdeutlicht aber, dass durch die aktuellen Geschehnisse, die in den Medien zusätzlich hochgeschaukelt werden, nicht nur Stereotypen programmiert werden. Es sind auch junge Erwachsene aus guten Verhältnissen, mit einer soliden Schulbildung, die plötzlich sehr empfänglich für Propaganda werden.
“[…] i weiss d asylante ansich chönd do eigentlich gar nix defür sondern es isch üsers system wo eifach himmeltrurig isch und wahnsinnig unfair. […]”
Menschen wie Alexandra B. werden nicht zu kahlköpfigen Nazis, die in Springerstiefel und Bomberjacken um die Häuser ziehen. Die Gefahr entsteht vielmehr im stetigen Abbau fundamentaler Werte und dem parallelen Aufbau eigener Ideologien. Gut und böse entwickelt sich zu einer reinen Frage der Perspektive, welche Alexandra B. übrigens sprungartig zu wechseln bereit ist. Auf die despektierliche Bezeichnung “hagwahr”, mit der sie erst die “bösen” Flüchtlinge ins Kreuzfeuer nimmt, folgt Kritik am Schweizer Sozialsystem, das letztlich die Verantwortung für die “bösen” Asylanten übernehmen soll. Der zu Beginn von ihr so dringend geforderte Anstand gilt dabei für sie nicht.
“[…]Aber weni gseh wie en kriminelle asylbewerber mit neue nike airmax und em neuste iphone umelauft,[…]”
Polemik gehört seit je her zu den mitteln populistischer Parteien, egal in welchem Land. Es ist nicht neu, dass sich Gruppierungen mit fragwürdigen Einstellungen, die Medien zum Instrument machen. Neu ist, dass jeder mitreden kann und leider auch jeder gehört wird. Diese Niederschwelligkeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, eröffnet vor allem Meinungsmacher die Möglichkeit Sympathisanten mit genau der Propaganda zu füttern, die sie in ihrem Denken bestärkt. In Kommentarspalten lese ich täglich Zitate, die ich so im echten Leben noch nie jemanden sagen hörte.
“[…] Es isch unfair und eifach denebet das en kriminelle besser lebt und vom staat untetstützt wird wie en schwiizer bürger […]”
Alexandra B. sieht sich selber als Hüterin der Gerechtigkeit. Sie beobachtet, selektiert, gruppiert, schubladisiert und verurteilt. Und das ganz aus dem Bauch hinaus — Ja klar, den sie ist ein “guter” Mensch.
“Mir langets jetzt au!”
Hier der ganze Post von Alexandra B. zum Nachlesen
*Name geändert und der Redaktion bekannt.
Zur Info: Alexandra B. hat ihr Facebookprofil offen. Den abgehandelten Eintrag hat sie zudem als öffentlich markiert.