Eveline Eggenberger ist mehr als eine Aufsichtsperson, sie ist eine Mitarbeitern.
Die Druckerei der Strafanstalt Saxerriet stellt seit über 20 Jahren vielfältige Druckerzeugnisse her. Zu ihren Kunden darf sie mittlerweile auch namhafte Unternehmen aus der Privatwirtschaft zählen. Die Erfolgsgeschichte der Druckerei baut auf hohen Qualitätsstandards auf sowie einer soliden, sozialverträglichen Führung der Insassen.
Der Anfahrtsweg zur offenen Strafanstalt Saxerriet ist fast malerisch. Das grosse Areal am Fuss des Alpsteins mit seinen weiten, abgesteckten Feldern, den grünen, roten und gelben Landmaschinen, den gepflegten Landhäusern mit angrenzenden Scheunen und den weidenden Tieren gleicht einem typischen Schweizer Bauernhof. Das Gelände scheint frei zugänglich. Aufseher und Sicherheitsleute sieht man nirgends. Doch der Eindruck täuscht. Die ganze Anstalt wird überwacht, einerseits mit verschiedenen Kameras und wachsamen Mitarbeitenden, andererseits mit einer unsichtbaren Alarmanlage im Inneren der Anstalt.
Ein schwarz-weiss gefleckter Hund liegt in der Sonne und schaut den Autos beim Parkieren zu. Es ist warm. Auf dem gegenüberliegenden Areal fährt ein Stapler auf und ab und stellt Holzkisten in einen Schopf. Es ist kurz vor neun, in den Werkstätten wird schon lange gearbeitet. Maschinenlärm dröhnt aus einem offenen Fenster. Der Blick ins Innere zeigt einen Mann im blauen Overall. Er steht vor einer Werkbank und feilt an einem Stück Metall. Hinter ihm sprühen Funken in die Luft und fallen tanzend zu Boden.
Die Mitarbeiter sind Häftlinge
Direkt neben den Werkstätten liegt die Druckerei. Die Türe steht weit offen. Der Kurier eines Unternehmens lädt Schachteln aus dem Vorraum in seinen Lieferwagen. Im Innern präsentiert sich dem Besucher ein typischer Kleinbetrieb. In der aufgeräumten, übersichtlichen Produktionsstätte stehen kleinere und grössere Maschinen, Computer und ordentlich beschriftete Regale. Einige der Maschinen surren, stampfen oder geben Quietsch- und Zischgeräusche von sich. Durch den Maschinenlärm dringen Stimmen. «Der Farbauftrag ist zu satt», Eveline Eggenberger, gelernte Offsetdruckerin und Arbeitsagogin, steht vor einer der quietschenden Maschinen und begutachtet einen frisch gedruckten Bogen Papier: «Da müssen wir noch etwas an den Farbeinstellungen verbessern», ergänzt die 47-Jährige bestimmt. Der schon etwas ältere Mitarbeiter begutachtet das Blatt von Nahem, nickt und dreht sich zurück zur Maschine. Seit sieben Jahren produziert und kontrolliert die Fachfrau – zusammen mit Druckereileiter Jürg Peter – hier die Druckaufträge. Alle Mitarbeiter sind Häftlinge. Die Abwicklung der Druckaufträge ist die eine Seite ihrer Aufgabe, die Betreuung der Insassen die andere. Streitschlichtung und Konfliktbewältigung gehören ebenso zum Arbeitsalltag wie Farbmischung und Papierbestimmung. Die Arbeit mache ihr Spass, «Mittlerweile hänge ich sogar an der kleinen Druckerei», lacht sie und gesteht, dass ihr zu Beginn gewisse Zwänge einer Strafanstalt zu schaffen machten. So musste sie sich erst daran gewöhnen, konsequent, auch bei kurzer Abwesenheit, das Büro zu schliessen.
Die Qualität muss stimmen
Mindestens drei Monate braucht die Arbeitsbegleiterin, um jemanden auf der Druckmaschine anzulernen. «Deswegen sind wir interessiert daran, dass in der Druckerei Häftlinge beschäftigt werden, die nicht schon nach einem Monat wieder draussen sind», so Eveline Eggenberger. Die Druckerei ist auf maximal fünf Arbeitsplätze ausgerichtet. Ist das Team kleiner, werden bei grosser Auftragslage oder grossem terminlichem Druck nicht etwa Aufträge abgelehnt. Die Anstaltsdruckerei darf dann auf Unterstützung zählen – entweder aus anderen Anstaltsbereichen oder notfalls aus umliegenden Gewerbebetrieben. «Wir halten die Drucktermine immer ein, auch wenn das für uns ab und zu Überstunden machen bedeutet.» Die Spielregeln der Privatwirtschaft sollen so weit wie möglich auch hier gelten. Die Aufträge kommen von öffentlichen Institutionen – darunter der Kanton – als auch von Privatbetrieben. Zur täglichen Routine gehört das Herstellen von Grusskarten, Umschlägen, Briefpapier, Etiketten und Broschüren. Dabei müssen die Druckerzeugnisse den gleichen Qualitätsstandards gerecht werden wie sie in der Privatwirtschaft gelten. Sonst lassen sich keine externen Aufträge realisieren, betont Eveline Eggenberger.
Geregelter Arbeitsalltag
«Uns ist es wichtig, den Insassen einen geregelten Tagesablauf und Kontinuität zu vermitteln», so Eveline Eggenberger. Die Insassen arbeiten von Montag bis Freitag von 7.30 bis 11.45 Uhr und 13.05 bis 17 Uhr. Vom Eintreffen über die Pausen bis zum Feierabend sind in der Strafanstalt alle Abläufe standardisiert. Nur so könne der Betrieb optimal laufen, erklärt die Fachfrau. Wenn beispielsweise ein Häftling um 7.30 Uhr nicht zur Arbeit erscheint, informiert die Betreuerin den Sicherheitsdienst der Strafanstalt, der dann den allfälligen Morgenmuffel holt. Zum Glück komme das sehr selten vor. Die meisten Insassen kommen gern zur Arbeit und sind froh, eine gute Beschäftigung zu haben. Nach der Arbeit haben die Häftlinge auch Freizeit, in der sie sich an einer der von der Strafanstalt angebotenen Aktivitäten beteiligen können. Während Arbeit und Freizeit kann unter den Häftlingen eine gewisse Kollegialität entstehen. Die Mitarbeiter der Strafanstalt hingegen müssen zu ihnen eine professionelle Distanz wahren. «Es versteht sich von selbst», so Eveline Eggenberger, «dass wir am Feierabend nicht mit den Insassen ‹einen trinken gehen›».
In die Gesellschaft wiedereingliedern
Die Druckerei ist in mehrfacher Hinsicht ein wichtiges Übungsfeld für die Insassen. Während ihres Aufenthalts sollen die Häftlinge den Bezug zur Aussenwelt nicht verlieren. Sie sollen in einer möglichst realistischen Arbeitssituation stehen, in der professionelles und speditives Arbeiten gefragt ist. «Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Insassen auf die Wiederintegration in die Gesellschaft vorzubereiten», so Eveline Eggenberger. Die Arbeit in der Druckerei, die eine produktive und sinnvolle ist, soll die Häftlinge in ihrer Persönlichkeit derart stärken, dass sie möglichst nicht mehr rückfällig werden. «Den Tatbeweis, ob das im Strafvollzug Gelernte in Freiheit umgesetzt werden kann, kann aber erst in der Zeit nach der Entlassung erbracht werden».